Isolation
- Vanessa
- 28. Nov. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Dez. 2023
Eigenschaften des toxischen Familiensystems
Die Familie und jegliche familiäre Veranstaltung sind für den Narzissten DIE Gelegenheit sich so präsentieren, wie es ihm gefällt.
Und umgekehrt bekommt er damit im Außen gespiegelt was er so dringend braucht.
Doch braucht der Narzisst dazu auch immer seine Statisten: Die restlichen Familienmitglieder.
Doch jede noch so gute Aufführung des Narzissten ist eben nur genau das: Eine Aufführung. Es kann immer nur eine Inszenierung einer Familie sein. In der Tiefe findet man jedoch nichts, was dem Bild der heilen Familie entspricht. Denn der Apfel ist im Inneren nun mal faulig, das ist nicht zu leugnen. Das weiß auch der Narzisst: So kann er zwar die aufopfernde Mutter/den Vater vielleicht ganz gut spielen, doch er ist es im Grunde seines Herzens nicht. Und für den Narzissten gibt es keinen größeren Albtraum wie das seine Fassade einstürzt und er mit der Realität konfrontiert wird.
Damit so ein Schauspiel einer Familie auch nach Außen hin immer funktioniert, ist deshalb noch ein weiterer Aspekt von Nöten: Oberflächlichkeit. So lange der Narzisst oberflächlich in seiner Darstellung der Mutter/des Vaters bleibt, kann ihm nichts passieren. Er kann nicht auffliegen. Deshalb ist alles was den Narzissten in seiner aktiven Rolle innerhalb seiner Familie bewegt, eine oberflächliche Inszenierung mit dem Ziel sein fragiles Selbstbild zu schützen.
Ich kann es nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten: Jede Veranstaltung mit der Familie war von Oberflächlichkeit geprägt: Gespräche über das Wetter, Politik und Fernsehen. Natürlich wurde auch mal gelacht, doch was immer gefehlt hat, war die emotionale Tiefe. Keiner wusste wirklich wie es dem anderen geht, was ihn beschäftigt, was für Probleme er hat, wie seine Zukunftspläne aussehen etc. Immer da wo der narzisstische Elternteil involviert ist, wird es keine emotionale Tiefe geben. Deshalb bleiben auch die Bande zwischen den einzelnen Familienmitgliedern oft oberflächlicher Natur. Echte emotionalen Verbindungen stören den Narzissten und würden sein Schauspiel einer Mutter/eines Vaters gefährden: Denn dadurch würde nur seine eigene Gefühlskälte offen dargelegt werden.
Würden die anderen Familienmitglieder sich untereinander beständig bedingungslose Liebe zeigen, so würde die enorme Diskrepanz des Narzissten, insbesondere in Wort und Taten auffliegen. Deshalb mischt der narzisstische Elternteil in jeder Verbindung der restlichen Familienmitglieder mit und verschiebt den Fokus ständig zu seinen Gunsten. Auf die Liebe der Familienmitglieder untereinander kann er nur mit Eifersucht und Neid reagieren und wird diese Emotionen wiederrum zwischen den Mitgliedern schüren.
Selbst wenn der andere Elternteil in der Lage ist den Kindern Liebe zu zeigen und zu geben, so wird sein Verhalten doch immer primär auf den Narzissten gelenkt sein und dieser erlaubt den anderen Familienmitgliedern nun mal nicht ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen. Auch das „Geliebte Kind“ oder das Lieblingskind des Narzissten wird niemals wahre Liebe erfahren: Es ist nur ein Produkt der Selbstüberhöhung des Narzissten und dessen Wunsch nach bedingungsloser Loyalität.
Deshalb stehen toxische Familien oft unabhängig von den Einflüssen anderer Familien. Der narzisstische Elternteil hat schlichtweg kein Interesse daran andere Familiensysteme zu nah an sich heran zu lassen, denn auch dann wäre die Gefahr zu groß, dass seine emotionalen Diskrepanzen auffliegen.
Zudem interessiert der narzisstische Part sich im Grunde nicht für seine Kinder, warum sollte er dann Interesse zeigen an deren Freunden, Hobbys, schulische Veranstaltungen etc.? Wann immer es seine familiäre Fassade erfordert, wird der narzisstische Elternteil auch anwesend sein und seine Rollen spielen, doch alles was ihm persönlich keinen Vorteil verschafft, wird nicht mit Aktivität oder Einsatz verfolgt werden.
Grundsätzlich wird der narzisstische Elternteil in der Öffentlichkeit, auch im Zusammenhang mit seiner Familie, die Rolle eines höflichen, vielleicht auch unternehmungslustigen Elternteils spielen.
Doch da er seine Rollen nicht verkörpert, sondern spielt, kann er sie nicht ewig aufrechterhalten: Deshalb wird der narzisstische Elternteil für seine Familie immer den Weg der Isolation wählen. Zu groß ist die Gefahr, dass nicht nur die emotionale Kälte, der Missbrauch auffliegen, sondern auch die Masken fallen, weil kein Narzisst diese immer und perfekt tragen kann.
Auch besteht die Sorge, dass sich die Familienmitglieder umorientieren könnten. Insbesondere der Partner des narzisstischen Elternteils soll nicht allzu viele Vergleichsmöglichkeiten haben, denn auch dann würde der eigene emotionale Missbrauch früher oder später ans Licht kommen, z.B. durch vertrauensvolle Gespräche. Wittert der Narzisst hier „Konkurrenz“, so wird er wieder aktiv dagegen arbeiten, durch Lästern beispielsweise. Jeder, der in seiner Vorstellungswelt nicht als Unterstützer existiert oder als jemand, der von ihm leicht zu beeinflussen ist, wird von ihm sehr vehement aus dem Leben ausgeschlossen. Da Narzissten sehr neidische Persönlichkeiten sind, ist es natürlich sehr leicht ihnen „auf die Füße zu treten“ – manchmal reicht dann schon die bloße Existenz aus.
Comments