Welches Kind warst du?
- Vanessa
- 18. Dez. 2023
- 14 Min. Lesezeit
Das Geliebte Kind, das Verantwortungsvolle Kind oder das Ungeliebte Kind?
Narzisstische Eltern behandeln ihre Kinder gänzlich unterschiedlich. Schon früh hat sich die narzisstische Mutter eine Rolle für das jeweilige Kind ausgedacht.
Mit einer klaren Zielsetzung wie das Kind zu sein hat, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Denn darum geht es bei fast allen Personen im Umfeld einer narzisstischen Persönlichkeit: Jeder bekommt eine Rolle zugeteilt und die zeitintensive Aufgabe ihre Komplexe für sie zu lösen. Gleichzeitig ist das Leben der Narzisstin ein einziges Schauspiel. Sie macht das von dem sie glaubt, dass es von der jeweiligen Rolle erwartet wird - als Freundin, Kollegin, Mutter, Ehefrau, Nachbarin etc. - und kann das je nach schauspielerischem Talent auch fast bis zur Perfektion darstellen. Doch eines muss man verstehen im Umgang mit Narzissten: Es ist stets nur eine Darstellung. Der Narzissmus wird in irgendeiner Form immer durchkommen.
Die Rolle der Mutter ist dahingehend ein wenig komplexer und verlangt bedingungslose Liebe, Hingabe und Zuwendung den eigenen Kindern gegenüber. Die gesellschaftliche Erwartungshaltung an Mütter ist es die Bedürfnisse der Kinder zu priorisieren und die eigenen hintenanzustellen. Da Selbstlosigkeit jedoch kein emotionales Konzept ist, dass eine narzisstische Mutter willig ist zu geben, kann sie schlussendlich immer nur eine Mutter darstellen, aber niemals eine sein.
So kann sie ihre Kinder zunächst sogar „lieben“, jedoch nur so lange wie sie annimmt, dass ihre Kinder sie bedingungslos lieben. Sobald in frühen Jahren die Phasen der Autonomie, der Loslösung und der Identitätsbildung beginnen und in späteren Jahren die Eltern bewusst kritisch hinterfragt werden, sind narzisstische Eltern in ihrem Ego gekränkt und werden mit Ignoranz und Bestrafungen darauf reagieren.
Das Geliebte Kind – Spiegel der Selbstüberhöhung
Narzisstische Eltern haben unter ihren Kindern stets einen Liebling. Das Lieblingskind wird gesondert von den Geschwistern behandelt und steht scheinbar immer in einer unantastbaren Sonderposition. Es kann nichts verkehrt machen.
Da narzisstische Mütter ihre Kinder dem jeweiligen Geschlecht entsprechend behandeln, ist oft der Sohn das Lieblingskind, der Goldjunge, das Geliebte Kind. Der Sohn wird von der narzisstischen Mutter so „geformt“ wie sie sich selbst ihren Partner, ihren Ehemann wünscht. Das Kind soll ebenfalls wie die anderen Kinder keine eigene Persönlichkeit entwickeln, sondern stets nur der zugedachten Rolle der Mutter entsprechen.
Bei dem Geliebten Kind ist diese Rolle eindeutig: Das Spiegelbild der Mutter. Während sie auf eine Tochter oft all ihre negativen Gefühle projiziert, überträgt sie auf das Lieblingskind all ihre übersteigerten Emotionen, die schlussendlich jedoch auch nur einer Verzerrung ihrer eigenen Persönlichkeit entsprechen. Das Lieblingskind kann also nichts falsch machen – so lange es seiner Rolle entsprechend agiert. Im Vergleich zu seinen anderen Geschwistern wird auch einmal ein Lob ausgesprochen, zumindest aber nicht so häufig kritisiert.
Bei manchen Eltern wird die Bevorzugung stärker sichtbar sein wie bei anderen. Da wird dann das Kind mit Lob geradezu überschüttet, auch wenn kein Anlass dazu besteht. Die Mutter möchte sich vor allen Dingen eines sicher sein: Der bedingungslosen Loyalität ihres Lieblings. Sie wird dementsprechend dafür sorgen, dass das Kind ein gespaltenes Verhältnis zu den anderen Familienmitgliedern hat. Sie wird es stets auf ihre Seite ziehen und zwingen zwischen ihr und den anderen zu wählen.
Das Lieblingskind hat oft keine enge Bindung zu den Geschwistern oder dem anderen Elternteil – denn das soll es einfach nicht haben. Nur zu der Mutter besteht eine emotionale Bindung.
Als erwachsener Sohn hat der Goldjunge mitunter ein ambivalentes Verhältnis zur Mutter. Durch die narzisstische Erziehung und das oberflächlich geprägte Verhältnis zu den Geschwistern wird der Goldjunge stets die loyale Beziehung zur Mutter auch von sich aus aufrechterhalten. Ist er z.B. das mittlere Kind, so wird ihm stets die Rolle des Vermittlers zwischen den anderen Geschwistern und der Mutter zugedacht. Die narzisstische Mutter wird ihn in ihre eigenen Konflikte miteinbeziehen, um ihn einerseits auf ihre Seite zu ziehen und gleichzeitig als „Vermittler“ missbrauchen, der ihre Position an die Geschwister weiterträgt ohne dass sie selbst das Gespräch suchen oder aktiv werden muss. Während der Goldjunge dabei glaubt seine eigene Position des Schlichters in der Familie zu vertreten, spielt er in Wahrheit nur die von der Mutter zugedachte Rolle des emotionalen Erpressers und hilft ihr, ihr destruktives Verhalten in der Familie fortzusetzen. Er wird manipuliert und kontrolliert und verfolgt dabei keineswegs seine eigenen Ziele im familiären Beziehungsgeflecht. Vielmehr sind seine Ziele, die er glaubt mit der Vermittlerrolle zu erreichen, die gleichen wie die der Mutter.
Hier ist das passiert, was die narzisstische Mutter erreichen wollte: Das Kind wird zu einem Spiegelbild. Gleichzeitig über- und unterschätzt der Goldjunge seine Rolle innerhalb der Familie. Da die Sicht auf die Mutter wie auch die Geschwister eine Verzerrte ist, wird auch die eigene Position innerhalb der Familie falsch eingeschätzt.
Das falsche Loben als Zeichen der Selbstüberhöhung führt zu einem falschen Selbstbild. Das Lieblingskind ist oft nicht in der Lage seine eigenen Leistungen realistisch und kritisch zu hinterfragen, es überschätzt sich und deckt damit seinen eigenen schwachen Selbstwert – also ebenso wie der narzisstische Elternteil sich selbst und seine Handlungen erfährt.
Das Geliebte Kind ist dabei stets dasjenige, welches die größten Schwierigkeiten hat eine eigene Identität zu entwickeln. Da keine Abgrenzung zu den Eltern stattfinden darf, ist das Kind der Grenzen überschreitenden Dominanz und Manipulation schutzlos ausgeliefert. Gleichzeitig bekommt es als Liebling eine Sonderbehandlung, die ihn von den Geschwistern abgrenzt. Oft entstehen so in der Kindheit Missgunst und Neid zwischen den Geschwistern und das Ungleichgewicht der unterschiedlichen Behandlungen durch die Eltern wiegt schwer bis ins Erwachsenenalter hinein.
Die Identität des Geliebten Kindes findet nur im Zusammenspiel mit den narzisstischen Eltern statt. Das eigene Selbst wird überlappt von den bizarren Anforderungen der narzisstischen Eltern. Oft wachsen die Lieblingskinder von narzisstischen Eltern selbst zu Narzissten heran.
Als erwachsenes Kind besteht dann oft eine Art „stillschweigender Vertrag“ zwischen Kind und Elternteil: Ich lass dich in Ruhe, du lässt mich in Ruhe. Denn die Rolle des Lieblingskindes ist augenscheinlich die „angenehmste“ Rolle im Vergleich zu den Geschwistern. So muss das Lieblingskind oft keine überzogenen Verantwortlichkeiten erfüllen oder wird in so einem Ausmaß gequält wie das Ungeliebte Kind.
Die Voraussetzung für diese Sonderbehandlung ist das stoische Ertragen und Ignorieren jeglichen missbräuchlichen Verhaltens seitens des narzisstischen Elternteils. Der Narzisst hat es nicht nötig Erklärungen, Rechtfertigungen oder gar Entschuldigungen für sein zerstörerisches Verhalten innerhalb der Familie zu finden – das erledigt das Geliebte Kind für ihn. Als Erwachsener äußert sich das in ständigen Ausreden, Erklärungen und Entschuldigungen für den narzisstischen Elternteil: „Ja, so ist es halt, was soll man machen“, „Er/Sie hat ja auch guten Seiten“, „Das macht er/sie alles nicht mit Absicht“, „Er/Sie denkt halt nicht nach“ usw. Gleichzeitig liefert sich das Lieblingskind damit selbst eine Ausrede für das eigene ignorante Verhalten. Denn: Wenn es nicht so schlimm nicht, muss ich ja auch nichts dagegen machen, oder?
Während dann die emotionalen Bedürfnisse der Geschwisterkinder an dem narzisstischen Elternteil abprallen wie an einem Eisblock, bekommt das Lieblingskind zwar niemals seine emotionalen Bedürfnisse gestillt, aber es stillt umgekehrt ihr Bedürfnis nach Sicherheit: So lange das Geliebte Kind nichts sagt oder macht, ist alles in Ordnung für den narzisstischen Elternteil. Und der Narzisst kann hier wahrlich machen was er will: Am Ende des Tages ist das Geliebte Kind immer da. Und bleibt auf seinem vorbestimmten Platz.
Doch auch bei dem Geliebten Kind findet eine Abgrenzung zu den narzisstischen Eltern statt. Kein Kind kann die emotionale Übergriffigkeit und die Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse über einen langen Zeitraum ertragen. Ein Zurückziehen des Kindes in die eigene innere Welt ist das Ergebnis, um sich selbst zu schützen. Dies kann auf unterschiedlichen Wegen stattfinden. Zum Beispiel kann sich das Lieblingskind durch ein konsequentes Schweigen schützen. Durch das Verweigern der Kommunikation über wichtige Ereignisse, Gefühle, Freunde schützt sich das Kind vor dem emotionalen Missbrauch des Narzissten. Ganz nach dem Motto: Denn wer nichts weiß, kann einen auch nicht angreifen und „Je weniger ich rede, umso sicherer bin ich.“ Das Schweigen schützt das Kind, wirkt dabei jedoch in zwei Richtungen: einerseits unterstützt es damit die Mutter andererseits schützt es sich damit selbst. Das Kind verhält sich damit zumindest teilweise so, wie es vom narzisstischen Elternteil gewünscht ist, denn das beharrliche Schweigen über die Schikane schützt natürlich vor den Konsequenzen des Umfeldes. Unbewusst dient es jedoch als Mauer um sich emotional vor den wahren Peinigern zu schützen.
Doch es findet nicht nur eine kommunikative Verweigerung statt, sondern auch eine Emotionale. Das Kind lernt weniger zu fühlen: „Je weniger ich fühle, umso weniger tut es weh.“ Das Problem mit der Unterdrückung von Emotionen: Nicht nur verschwinden sie nicht einfach, sondern sie Emotionen können immer nur polar unterdrückt werden, d.h. ich kann zwar die negativen Gefühle weniger fühlen, doch fühle dafür auch kaum noch die positiven Emotionen. Ohne Tiefs keine Hochs. Durch die permanente Unterdrückung erlebter Emotionen stellt sich eine Aggressionshemmung ein. Wut und das natürliche Bedürfnis gesunde Grenzen setzen zu wolle, werden auch im Erwachsenenalter ignoriert. Nicht weil hier kein Anlass besteht, sondern weil das Geliebte Kind auch schlichtweg nicht weiß, wie seine Wut und „destruktiven“ Gefühle ausdrücken soll.
Doch auch bei dem Lieblingskind greift die narzisstische Erziehungsmethode „Zuckerbrot und Peitsche“, d.h. auch das Lieblingskind ist willkürlicher Schikane ausgesetzt. Dem Charakter entsprechend wird es das stoisch ertragen und weder darauf reagiert noch agiert. In seltenen Fällen kann es aber durchaus zu der von der narzisstischen Mutter gewollten emotionalen Reaktion kommen, wenn dann doch mal eine „Grenze“ überschritten wird. Ist die Reaktion so wie die Mutter sich das gewünscht hat, bleibt aber für sie ohne Konsequenzen, so ist sie zufrieden. Genau wie bei den anderen Kindern. Reagiert das Lieblingskind jedoch AUßERHALB seiner Rolle, so hat die narzisstische Mutter tatsächlich ein Problem. Sie ist auf das schweigende Wohlgefallen all ihrer Kinder angewiesen, aber besonders auf die bedingungslose Loyalität ihres Lieblingskindes. Sie wird dementsprechend auf eine typische Reaktion zurückgreifen: Sie ist das Opfer.
Zum Beispiel wird einer narzisstischen Mutter bei einer verbal harschen Konversation mit ihrem Lieblingskind deshalb nichts anderes übrigbleiben als hysterisch zu reagieren, zu schreien, zu hyperventilieren, eine Panikattacke zu bekommen etc. Hauptsache der Fokus verschiebt sich wieder auf sie und ihr Befinden. Im besten Fall ist das Kind dazu gezwungen zurückzurudern und ernsthaft um ihre Gesundheit besorgt zu sein. Die für die Mutter durchaus heikle Situation ist damit vorbei und sie hat sich wieder als das Opfer dargestellt. Da das Lieblingskind nun auch wieder in seine Rolle zurückgedrängt wurde durch emotionalen Druck und Erpressung, wird auch diese Situation ohne Konsequenzen für die Mutter verlaufen. Die beiden können wieder in ihre alten Rollenmuster verfallen – ohne das der ursprüngliche Konflikt gelöst werden konnte.
Das Geliebte Kind ist oft von einer passiven Energie geprägt. Seine Rolle erfordert Passivität und stillschweigende Akzeptanz – so hat es gelernt mit dem Chaos der narzisstischen Mutter umzugehen. Doch handelt es sich dabei nicht um eine Bewältigungskompetenz um mit Stress umzugehen, sondern vielmehr um eine Überlebensstrategie. Wenn Kinder in einer Umgebung aufwachsen, die ihnen nicht konstant Sicherheit und Liebe vermitteln kann, müssen sie psychische Strategien entwickeln, um mit dieser erlebten Unsicherheit umgehen zu können. Diese können jedoch nicht gesunder Natur sein, da gesunde Bewältigungskompetenzen nun mal gefördert und gelernt werden müssen. Was bleibt ist dann die fehlende Identität eines erwachsenen Kindes, welches ebenso wie die narzisstischen Eltern auf Stress mit Ignoranz und Kompensation reagiert.
Durch ihre fehlende Reflektionsfähigkeiten und Empathie macht sie unweigerlich ihre eigenen Kinder zu ihren Opfern. Das Leid wiederholt sich in einem generationsübergreifenden Kreislauf. Das Geliebte Kind ist dabei der größten Gefahr ausgesetzt diesen ungesunden Kreislauf am Leben zu erhalten. Durch jahrelang erprobte Unterdrückung eigener Gefühle und Bedürfnisse besteht kaum eine Bindung zu eigenen Persönlichkeitsanteilen, die unabhängig von den narzisstischen Eltern existieren dürfen. Wenn weiterhin Mechanismen von Flucht oder Freeze ausgelebt werden bleibt hier kein Raum für emotionale Aufarbeitung und das Trauma bleibt bestehen.
Das verantwortungsvolle Kind – Spiegel der Hilflosigkeit
Neben dem Geliebten und Ungeliebten Kind gibt es noch eine andere Rolle, die ein Kind der dysfunktionalen Familie innehat: Das verantwortungsvolle Kind. Es steht weder in der Gunst des narzisstischen Elternteils so weit oben wie das Lieblingskind, noch wird es so willkürlich aggressiv bestraft wie das Ungeliebte Kind. Es steht sozusagen zwischen den Extremen, hat aber wie die anderen Rollen die Aufgabe, die Bedürfnisse des narzisstischen Elternteils zu befriedigen.
Narzissten übernehmen keine Verantwortung für ihr destruktives Handeln. Aber in einem System muss jemand sich unweigerlich verantwortlich zeigen, damit das Familiensystem überhaupt funktionieren bzw. existieren kann. In der narzisstischen Welt ist dies oft der Partner des Narzissten, der sich um die „unliebsamen“ Dinge kümmern muss. Eine gerechte Arbeitsaufteilung ist mit einer narzisstischen Persönlichkeit erst einmal grundsätzlich nicht möglich. Die Partner können niemals als Team auftreten, weil der Narzisst kein Interesse daran hat, gleichwertige Arbeiten zu verrichten.
Er möchte nun einmal für wenig Arbeit viel Anerkennung bekommen: Seine Sicht auf seine tatsächlichen Leistungen ist so verzerrt, dass es hier nicht möglich ist einen gemeinsamen Nenner zu finden. Zu weit liegen hier Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander. Der Partner wird sich dementsprechend den Ungerechtigkeiten fügen müssen oder wird es einfach sein lassen. Wird der Partner seine Arbeiten tatsächlich nicht mehr erfüllen durch Trennung oder Tod steht der narzisstische Elternteil vor einem enormen Problem: Er kann keine Verantwortung übernehmen und erst recht keine Lücken schließen, die ein anderes Familienmitglied hinterlassen hat. Doch jemand muss organisatorische Aufgaben erledigen, für finanzielle Sicherheit sorgen oder die Zukunft der Familie planen. Doch all diese Aufgaben passen nicht in das verantwortungs- und planlose Repertoire des Narzissten. Erkennt dieser für sich persönlich keinen Vorteil in der Erledigung dieser Tätigkeiten, den er auch im Hier und Jetzt für sich spürbar machen kann, wird er nicht in der Lage sein diese elementaren Aufgaben zu erfüllen.
Also muss er sich innerhalb seines Familiensystems eine Person suchen, die hier für ihn als Elternteil übernimmt. Die Lösung: Eines seiner Kinder.
Was vorher die Last eines Erwachsenen war, wird nun zur Last eines Kindes. Je nach Alter des Kindes wird es zunächst mit den emotionalen Bürden des narzisstischen Elternteils konfrontiert und später mit den tatsächlichen Aufgaben, die eigentlich den Eltern zustehen würden. Eine narzisstische Persönlichkeit möchte es sich so einfach im Leben machen wie nur möglich und seine Familie ist in erster Linie dazu da, ihm diese Bequemlichkeit zu ermöglichen. Ein Narzisst will sich nicht kümmern. In jeglicher Hinsicht. Der Narzisst will umsorgt werden, doch ist unfähig dies im gleichen Maße zurückzugeben. Partner und die eigenen Kinder müssen immer in emotionale Vorkasse treten, um in der Realität wenig bis nichts zurückzubekommen.
Das Bild hängt schief? Das erwachsene Kind soll sich kümmern. Die Schublade schließt nicht richtig? Das erwachsene Kind soll sich kümmern. Keine Altersvorsorge? Das erwachsene Kind soll sich kümmern. Alles was dem Narzissten keinen Spaß macht und keinen kurzweiligen Erfolg verspricht, ist uninteressant für ihn. Tatsächlich sind solche Narzissten in ihrer Persönlichkeitsstruktur unselbstständig und benötigen Hilfe im Alltag, die sie nie willig wären zuzugeben. Ihre ständige Rolle des Opfers erfordert eine passive Einstellung, die sie aber bei hohem persönlichem Interesse oder (finanziellem) Profit jederzeit ablegen können. Insbesondere gegenüber Männern wollen narzisstische Frauen hilflos wirken, um so einfach und effektiv manipulativ wirken zu können. Ihr Ziel ist es sich in jeder Lebenslage in ein „gemachtes Nest“ zu setzen – ohne viel Aufwand ihrerseits, aber unter der Prämisse, dass sie sich und anderen vormachen dürfen, dass sie sehr wohl Arbeit und Energie investiert haben.
Narzissten sind permanent damit beschäftigt ihre eigene Hilflosigkeit und Überforderung zu überspielen und zu kompensieren. Die gefühlte Hilflosigkeit wird dann ebenfalls auf das eigene Kind projiziert, das einerseits damit überfordert wird dem narzisstischen Elternteil helfen zu müssen und andererseits in seiner eigenen Hilflosigkeit gehalten wird. Narzisstische Eltern unterstützen ihre Kinder nicht emotional darin ihren eigenen Weg zu gehen.
Vielmehr wünschen sie sich erwachsene Kinder, die sich um ihre Eltern kümmern, während sie sich selbst nur minimal oder gar nicht kümmern, aber gleichzeitig behaupten sie würden sich aufopfern für das Wohlergehen ihrer Kinder. Sie bekommen Kopfschmerzen von diesem Satz? Ich auch, denn die verdrehte Realität von narzisstischen Eltern ist wahrlich mühselig zu begreifen. Doch tatsächlich haben Narzissten die emotionale Reife eines Kleinkindes, das seine Umgebung noch nicht von seiner Innenwelt trennen kann und gleichzeitig das zerstörerische Ego eines Erwachsenen besitzt.
Das verantwortungsvolle Kind sieht sich nicht nur in der undankbaren Position seinen narzisstischen Eltern permanent helfen zu müssen, sondern ist in seiner Rolle dafür zuständig es seinen Eltern so bequem wie nur möglich zu machen. Im Gegensatz zum Lieblingskind oder Geliebten Kind kann das verantwortungsvolle Kind jedoch nicht an der langen Leine gelassen werden. Zu groß ist die Sorge des Narzissten wichtige Rahmenbedingungen, die seinen Alltag erst funktionieren lassen, zu verlieren. Zwar sollen sich alle Kinder des Narzissten durch ihre unreflektierte Loyalität auszeichnen, doch werden insbesondere beim verantwortungsvollen Kind starke Mechanismen von Kontrolle angewendet, um das erwachsene Kind „bei Stange zu halten“. Das können tägliche Anrufe und Besuche sein mit tagtäglich wechselnden neuen Aufgaben, die das erwachsene Kind zu erfüllen hat. Der Unwichtigkeit dieser Aufgaben sind dabei keine Grenzen gesetzt – der Narzisst braucht einfach immer jemanden, der ihm seine eigene gefühlte Hilflosigkeit abnimmt.
Das Ungeliebte Kind – Spiegel des Selbsthasses
Das Ungeliebte Kind oder das schwarze Schaf innerhalb der Familie ist wahrlich der Sündenbock für alle narzisstischen Familienmitglieder. Während das Geliebte Kind häufig gelobt und wenig kritisiert wird und das verantwortungsvolle Kind in seiner Abhängigkeit gehalten werden soll, muss das Ungeliebte Kind als Spiegel für die geballte Negativität der narzisstischen Eltern herhalten.
Die ungelösten inneren Konflikte der Eltern, die seit eigenen Kindheitstagen bestehen? Wiegen leichter auf den Schultern des Ungeliebten Kindes. Die eigenen negativen Gefühle wie Scham, Neid und Eifersucht? Fühlt sich besser an, wenn das Ungeliebte Kind gequält wird statt sich selbst zu quälen. Und auch hier kommt das fehlende Verantwortungsbewusstsein des Narzissten zu Tage: Am Ende jeden Tages ist es die Schuld des Ungeliebten Kindes, wenn es das Leben nicht gut mit dem Narzissten meint.
Das Ungeliebte Kind ist öfter der Gefahr ausgesetzt dem Sadismus und der Vernachlässigung seiner narzisstischen Eltern ausgesetzt zu sein.
Während die anderen Rollen temporäre Ruhe oder so etwas wie „Liebe“ und Zuneigung von ihren narzisstischen Eltern erfahren, wenn sie funktionieren, bleibt das Ungeliebte Kind weitestgehend auf der Strecke: Es kann es seinen narzisstischen Eltern niemals recht machen. Selbst wenn es sich den willkürlichen Bedingungen seiner Eltern fügt, wird es keine Anerkennung dafür erfahren.
Der Narzisst, der in seinem Ungeliebten Kind all seine Schattenanteile gezeigt bekommt, hat keine Wertschätzung oder gar Liebe dafür übrig. Er wird in seinem Kind ständig seine eigenen Mängel und Fehler sehen und es dafür bestrafen wollen. Er leugnet seine negativen Anteile und will diese in jedem Fall unterdrücken. Diese Unterdrückung projiziert er auf das Ungeliebte Kind und schafft es so dessen wahre Persönlichkeit mit all seinen Stärken und vermeidlichen Schwächen zu denunzieren. Das Ungeliebte Kind darf niemals es selbst sein. Ebenso wie bei den anderen Rollen haben narzisstische Eltern kein Interesse an ihren Kindern, doch im Vergleich zu den Geschwistern soll das Ungeliebte Kind das gleiche Leid erfahren, wie es der Narzisst seiner Meinung nach erfahren hat.
Die Lieblosigkeit seiner eigenen Kindheit lebt er mit seinem Ungeliebten Kind noch einmal nach. Nur dass er diesmal in der machtvollen Position steht zu entscheiden, wie und welches Leid er seinem Kind zufügen will. Der Narzisst spielt seine unverarbeitete Kindheit nach. Die Ablehnung, die der Narzisst glaubt erfahren zu haben, lässt er sein Ungeliebtes Kind spüren. Jeden Tag.
Das Ungeliebte Kind kann es nicht richtig machen: Anpassung nützt nichts, aber für Widerstand wird es regelmäßig Bestrafung erfahren. Die Folge ist ein permanent hoher Stresspegel, ein „Laufen auf Eierschalen“ und eine übertriebene empathische Ausrichtung auf die Umwelt. Das Ungeliebte Kind muss lernen die Anzeichen für potentiellen Ärger früh zu erkennen, ansonsten wird es kaum Chancen haben dem zu entkommen. Seine gesamte Wahrnehmung ist auf die narzisstischen Eltern ausgerichtet und der Sorge: Was wird als nächstes passieren?
Auch als Erwachsene sind diese Kinder gut darin die Stimmungen ihrer Umgebung zu lesen, sie wissen oft intuitiv was in den Menschen vorgeht. Das Problem dabei ist, dass sie ihre Empathie nicht für sich einsetzen können. Sie haben nie gelernt Grenzen zu setzen bzw. ihre Grenzen wurden regelmäßig verletzt. Sie können sich selbst nicht schützen und von anderen Menschen auf gesunde Art abgrenzen. Sie haben gelernt, dass sie selbst verantwortlich sind für die Stimmungsschwankungen und Launen ihrer narzisstischen Eltern, weshalb sei gerne versuchen die Stimmung von anderen positiv beeinflussen zu wollen – und verlieren sich dabei selbst aus dem Blick. Niemand ist je auf ihre Bedürfnisse eingegangen oder hat ihre empathische Wahrnehmung geschätzt.
Als Ergebnis neigen diese Menschen dazu sich an anderen abzuarbeiten und fühlen sich verantwortlich für das Wohlergehen anderer.
Der Tochter einer narzisstischen Mutter kommt dabei immer eine gesonderte Rolle zu. Während die Söhne so von ihr geformt wurden, wie sie sie gerne haben wollte, hat sie mit der Tochter ein grundsätzliches Problem: Sie ist Konkurrenz. Denn das Selbstbild der Narzisstin als Frau ist ein Negatives. Sie erlebt sich selbst voller Makel und Fehler und kompensiert das durch ihr übertriebenes Ego. Und die Tochter ist der Spiegel für dieses Zerrbild der eigenen Person.
Die Jugendlichkeit der Tochter ist nur das Alter der Mutter und die Erfolge stehen für die eigenen Niederlagen. Sie behandelt sie so, wie sie meint selbst als Tochter behandelt worden zu sein: lieblos und herabwürdigend. Sie hat gar kein Interesse an ihr und erst recht nicht, dass sie sich in eine selbstständige, starke Frau entwickelt. Denn das ist sie selbst nicht. Deshalb wird sie klein und abhängig gehalten und gleichzeitig dafür bestraft, nicht nur wenn sie genau das ist oder aber wenn sie versucht das Gegenteil zu tun. Im Gegensatz zu den Söhnen kann sie es ihrer Mutter niemals recht machen. Und das wird sie auch nicht müde zu betonen.
Insbesondere in den Phasen, in denen sich die Selbstständigkeit des Kindes entwickeln sollte, wird die narzisstische Mutter ihrer Tochter aktiv Steine in den Weg legen. In den Teenagerjahren bis hin zu Anfang Zwanzig, wenn sich die Kinder von der Schule trennen und ihr eigenes Leben anfangen zu leben mit Führerschein, Umzug aus dem Elternhaus, Arbeit oder Studium, wird die narzisstische Mutter ihrer Tochter diesen Weg erschweren wollen. Während die meisten Eltern insbesondere in diesem Entwicklungsprozess ihre Kinder darin unterstützen sich zu selbstständigen Individuen zu entwickeln, wird die narzisstische Mutter einiges unternehmen, um ihrer Tochter die Flügel zu stutzen. Hier wird dann jeglicher potentieller Karriereweg des Kindes ungerechtfertigt kritisiert oder ausgeredet, die finanzielle Unterstützung verweigert, um z.B. ausziehen zu können oder das Kind durch Druck und schlechtes Gewissen in seinen Möglichkeiten eingeschränkt.
Nicht nur dass es einem Albtraum für die narzisstische Mutter gleichen würde, wenn sie die Kontrolle über ihre Kinder verlieren würde. Tatsächlich ist das größte Problem für die narzisstische Mutter, dass es der Wunsch ihres Kindes ist, sich von ihr zu entfernen. Sie kann hier kein natürliches Bedürfnis nach Selbstständigkeit und Autonomie erkennen, sondern den Angriff auf ihre eigene Person: Meine Tochter will mich verlassen. Umgekehrt jedoch steht es der narzisstischen Mutter frei sich von ihren Kindern zu distanzieren oder sie gar „im Regen stehen zu lassen“, so lange es ihr und ihrem zerstörerischen Ego dienlich ist. Zudem lebt die narzisstische Mutter mit ihrer Tochter ihren Selbsthass gnadenlos aus: Ihre Tochter darf nie besser sein als sie selbst.
Alle Kinder haben sich natürlich ihren Rollen und Aufgaben bedingungslos zu fügen, doch die Tochter, die im direkten Wettbewerb zur Mutter steht, darf ihre Mutter niemals überragen. Sie darf nicht erfolgreicher, klüger, schöner oder liebevoller sein wie sie selbst. Die Ablehnung ihres wahren Selbst überträgt die narzisstische Mutter auf ihre Tochter – das Spiegelbild ihres Selbsthasses.
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